Wie viel Usability und Barrierefreiheit steckt im OZG-ÄndG? 18 wertvolle Impulse aus den Spitzenverbänden

Die Spitzenverbände haben dem BMI im März 2023 zum aktuellen Referent*innenenentwurf des OZG-ÄndG qualitativ hochwertige und umfassende Stellungnahmen übermittelt. Dabei haben sich die Verbände auch intensiv mit dem Themenkomplex UUX, insbesondere der Usability und Barrierefreiheit, auseinandergesetzt. Nun hat das Kabinett im Mai 2023 den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Wurden die vielen guten Ideen dort bereits in ausreichendem Maße aufgegriffen?

Es gibt spannende Entwicklungen rund um das OZG-ÄndG. Nachdem bereits der Referent*innenentwurf [1] im Januar 2023 für einige Diskussionen gesorgt hat, wurde nun im Mai 2023 seitens der Bundesregierung der Gesetzesentwurf verabschiedet [2]. Uns sind – beim Blick durch unsere UUX-Brille – in dem Referent*innenentwurf vom vergangenen Januar einige Unstimmigkeiten ins Auge gesprungen.

Und auch die Stellungnahme der 16 Bundesländer zu dem vorliegenden Entwurf haben wir mit großen Interesse verfolgt und uns inhaltlich in die Diskussion eingebracht. Deshalb wollen wir uns nun auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung genauer ansehen. Und Sie ahnen es schon: Auch hier interessiert uns natürlich vor allem, ob die vielen wertvollen Anregungen der Spitzenverbände zu Usability und Barrierefreiheit bereits ausreichend berücksichtigt wurden.

Die Mühlen der Gesetzgebung

Denn: Wir bei Nestler UUX Consulting sind ein Team von Expert*innen für Usability und UX (UUX). In unseren Projekten für und mit dem öffentlichen Sektor fragen wir uns dabei schon seit einigen Jahren, warum das Themenfeld bisher so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Oder warum – falls unsere Annahme falsch ist – wir den behördlichen Fachanwendungen diese Aufmerksamkeit aktuell noch zu selten ansehen.

Drei bzw. vier Leute spielen zusammen Karten
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein merkwürdiges Kartenspiel: Alle haben es in der Hand – doch zu häufig wird der Schlaue* Peter nur weitergegeben.

Intensiv haben wir uns in diesem Zusammenhang dabei auch mit der menschzentrierten Digitalisierung des öffentlichen Sektors beschäftigt. Insbesondere bei unseren über 70 Gesprächen mit Expert*innen aus dem öffentlichen Sektor wurde deutlich: Die Politik hat es in der Hand. Wenn die Politik das Thema nicht in der Tiefe durchdrungen hat, dann kann sie keine tragfähigen Gesetze entwickeln. Die Behörden haben es in der Hand. Wenn Behörden das Thema nicht in der Tiefe durchdrungen haben, können sie UUX nicht in Ausschreibungen berücksichtigen. Die Dienstleister haben es in der Hand. Wenn Dienstleister das Thema nicht durchdrungen haben, dann können Sie keine Fachanwendungen mit guter UUX entwickeln.

Ein Dienstleister, eine Verwaltungsangestellte und eine Politikerin spielen gemeinsam Karten…

Alle haben es in der Hand und trotzdem passiert (zu) wenig. Wie lässt sich das Dilemma nun am Besten auflösen? Der Schlaue* Peter wird dabei gerne weitergeben. Die Verantwortung diffundiert – alle und niemand sind für UUX verantwortlich.

Der Dienstleister: Wir könn(t)en UUX

Wir würden uns ja stärker auf UUX fokussieren, wenn es uns einen Mehrwert bringen würde.

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zusammenhänge und nach vielen persönlichen Gesprächen schließen wir uns mit einem kleinen Restwiderstand dieser Perspektive an. Natürlich wäre es irgendwie schön, wenn es eine intrinsische Motivation für Softwareergonomie, Barrierefreiheit, Usability, User Experience und Service Design gäbe. Aber: Mit intrinsischer Motivation gewinnt man keine Ausschreibungen. Wer etwas zusätzlich tut, was die Kund*innen nicht fordern, schießt sich selbst ins Bein. Das Angebot wird zu teuer und ist nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Behörde: Wir brauchen UUX

Wir würden UUX ja gerne stärker gewichten, wenn es am Markt entsprechende Lösungen gäbe.

Doch das ist kein einfaches Henne-Ei-Problem. Denn „der Markt“ gerade in den Themenfeldern, in denen öffentliche Auftraggeber*innen die einzigen Kund*innen sind, kein starres Konstrukt. Gerade die aktuellen Entwicklungen im Themenfeld Barrierefreiheit zeigen ja: Wenn Barrierefreiheit für Behörden eine Anforderung ist, dann entstehen auch entsprechende Lösungen. Doch die Behörden sind nun nicht alleinig in der Verantwortung, dass am Markt diese Lösungen entstehen können.

Die Politik: Wir machen UUX 

Wir machen jetzt in der öffentlichen Verwaltung alles nur noch menschzentriert – das Adjektiv steht ja schließlich in jedem Gesetz und in jedem unserer Konzepte

Wie dies konkret aussieht, müssen Behörden und Unternehmen im Einzelfall entscheiden. Damit bestimmte Qualitätsmerkmale als Ziel geeignet sind, müssen sie jedoch S.M.A.R.T. sein. Gerade die Messbarkeit ist hier wesentlich, damit aus Wünschen konkrete Anforderungen werden, die in Vergabeverfahren objektiv geprüft werden können. Wir haben uns erst vor kurzem eingehend mit den praktischen Implikationen einer wissenschaftlich fundierten Messung von UUX beschäftigt.

18 gute Ideen für eine bessere Menschzentrierung von digitalen Verwaltungsleistungen

Die Lösung liegt also auf der Hand: Alle legen ihre Karten auf den Tisch. Und wir nehmen den Schlauen* Peter aus dem Spiel.

Doch nun im Ernst: Wir müssen uns gute Beispiele aus der Praxis ansehen, uns mit dem Input von Expert*innen innerhalb und außerhalb der Verwaltung beschäftigen und dann bessere Gesetze machen. Wir selbst wollten uns nie mit der politischen Dimension von Usability und UX (UUX) im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung beschäftigen…

Ein Stuhlkreis im geschäftlichen Umfeld mit mehreren Wortmeldungen
Nur mit fundiertem Input von Expert*innen innerhalb und außerhalb der öffentlichen Verwaltung wird es gelingen, gute und tragfähige Gesetze zur Verwaltungsdigitalisierung zu entwickeln.

Nach der Lektüre des Gesetzesentwurfs ist uns aber klar: Das Thema ist noch nicht ausreichend durchdrungen. Die derzeit noch zu unausgereiften Ideen im Themenfeld Barrierefreiheit und Usability werden am Status quo nichts ändern. Aber der Reihe nach.

Durch externe, fachliche Impulse werden Gesetzesvorhaben tragfähig

Nach dem Referent*innenentwurf aus dem BMI (Bundesministerium des Innern und für Heimat) wurde eine Vielzahl an Verbänden und Organisationen um Stellungnahmen zu dem aktuellen Entwurf gebeten. Auf Basis dieser Stellungnahmen wurde der Entwurf geschärft und weiterentwickelt.

Gemeinsames Meeting im Stuhlkreis
Die Spitzenverbände haben wertvolle Impulse zu dem Referent*innenentwurf des BMI veröffentlicht. Nun stellt sich die Frage: Wurden diese Impulse im Gesetzesentwurf in ausreichendem Maße berücksichtigt?

Das BMI stellt auf der Webseite zum OZG-ÄndG [1] diesen Prozess dar und nennt dabei auch die beteiligten Verbände. Einige der Stellungnahmen wurden dabei direkt auf der Webseite des BMI veröffentlicht, einige Stellungnahmen finden sich hingegen auf den Webseiten*** der einzelnen Verbände.

#1: Klein-Klein von proprietären Softwarelösungen beenden

Die Stellungnahme der OSB Alliance (Open Source Business Alliance – Bundesverband für digitale Souveränität e.V.) [4] macht deutlich, dass das OZG-ÄndG das Potential von Open Source Software und offenen Standards noch nicht einmal benennt. Ferner wird bemängelt, dass auch für die zentralen Basisdienste (z.B. Bürger*innenkonto und Postfach) keine offenen Standards und Open Source verbindlich vorgeschrieben werden. Bemängelt wird, dass durch den bisherigen Ansatz die parallele Entwicklung von ähnlichen Lösungen nicht wirksam gestoppt werden kann. 

Zur konkreten Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung schweigt sich der Gesetzentwurf an den entscheidenden Stellen aus.

OSB Alliance [4]

Konkret wird beispielsweise auch kritisiert, dass für die breite Nachnutzung von Lösungen die Rahmenbedingungen durch den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht verbessert werden. Wenngleich Usability und Barrierefreiheit von den Vorschlägen der OSB Alliance profitieren würden, gibt es in dieser Stellungnahme keine konkreten Bezüge zu diesem Themenfeld bzw. dem neuen § 7 des OZG-ÄndG.

#2: Akzeptanz der Nutzenden in den Mittelpunkt stellen

Die Stellungnahme des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.) [5] beschäftigt sich hingegen intensiv mit dem § 7 des OZG-ÄndG. Zu dem Themenfeld Barrierefreiheit und Usability stellt der BDI dabei klar, dass die reine Verfügbarkeit digitalisierter Dienstleistungen nicht der alleinige Erfolgsmaßstab für die Digitalisierung der öffentlichen Hand sein darf.

Vielmehr muss die Akzeptanz der Nutzenden in den Mittelpunkt rücken und durch empirische Analysen erhoben werden.

BDI [5]

Der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.) fordert in diesem Zusammenhang auch die Etablierung von menschzentrierten Metriken, beispielsweise die Nutzungshäufigkeiten oder eine menschzentrierte Evaluation des Nutzungserlebnisses. Der BDI begrüßt die Entscheidung, das Themenfeld in einem eigenen Paragraphen im OZG-ÄndG zu adressieren.

Eine Person präsentiert vor einer Gruppe seine Ideen
Das Feedback des BDI [5]: Es ist eine gute Entscheidung, den Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit in einem eigenen Paragraphen zu adressieren.

Gleichzeitig betont die Stellungnahme, dass eine Verzahnung mit § 12 (welcher den Themenkomplex Monitoring und Evaluierung behandelt) erfolgsentscheidend ist; denn nur so ist eine empirische Qualitätssicherung möglich. Der BDI schlägt daher vor, den § 7 wie folgt zu erweitern:

(3) Der Nationale Normenkontrollrat wird beauftragt, im Benehmen mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und dem Verbraucherzentrale Bundesverband bis zum Ablauf des ersten auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres eine Methodik zur Prüfung der Nutzerfreundlichkeit digitaler Verwaltungsverfahren zu entwickeln und zu veröffentlichen.

(4) Sobald eine Methodik nach § 7 Abs. 3 vorliegt, sind Bund und Länder verpflichtet, diese regelmäßig zur Überprüfung ihrer digitalen Verwaltungsleistungen anzuwenden. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen sind gemäß § 12 zu veröffentlichen.

BDI [5]

#3: Verwaltungsdigitalisierung statt Onlinezugang voranbringen

Der ZDH (Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.) äußert in seiner Stellungnahme [6] bereits zu Beginn Unverständnis über den späten Start des OZG-ÄndG. Das Gesetz soll erst Anfang 2024 in Kraft treten – obwohl Probleme bei der OZG-Umsetzung bis Ende 2022 bereits frühzeitig absehbar waren. Neben vielen anderen Dingen fordert der ZDH dabei insbesondere auch eine finanzielle und personelle Stärkung der FITKO (Föderale IT-Kooperation) und der KOSIT (Koordinierungsstelle für IT-Standards) und einen ganzheitlicheren Blick auf die digitale Verwaltung: 

Der Titel des Gesetzes erscheint zu eng gefasst, da es nicht allein um eine Änderung des Onlinezugangsgesetzes (…) geht, sondern in einem umfassenderen Sinne um Verwaltungsdigitalisierung.

ZDH [6]

Ferner bezieht sich die Stellungnahme des ZDH auch explizit auf Fragestellungen zu Barrierefreiheit und Usability. Dabei geht es primär um eine begriffliche Präzisierung: Statt von „Formularen“ sollte in § 7 Abs. 2 stattdessen von „Datenfeldern“ gesprochen werden, da das die beim FIM (Föderalen Informationsmanagement) etablierten Begriffe sind. In dem aktuellen Gesetzesentwurf wird nun ein dritter Begriff gewählt, der Gesetzesentwurf spricht nun etwas abstrakter von „für diesen Zugang relevanten IT-Komponenten“ [2].

#4: Positive Effekte durch bessere Menschzentrierung erzielen

Die Stellungnahme [7] der BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) setzt sich ebenfalls intensiv mit dem Themenkomplex Usability im OZG-ÄndG auseinander. Ausgehend von der Erkenntnis, dass im Zuge der Digitalisierung Prozesse gänzlich neu gedacht werden müssen, verdeutlich der BDA dass die Usability das übergeordnete Ziel der Verwaltungsdigitalisierung ist.

Gemeinsame Vertragsverhandlungen mit drei Personen
Aus Sicht des BDA [7] muss die Evaluierung des Themenkomplexes Usability in dem OZG-ÄndG noch besser dargestellt werden

Insbesondere im Kontext der Evaluierung (welche in § 12 geregelt ist) muss der Themenkomplex Usability stärkere Berücksichtigung finden: 

[Bei der Evaluierung] ist es besonders wichtig, dass nicht mehr nur die reine Anzahl an digitalisierten Leistungen erhoben wird, sondern vor allem auch die Nutzerfreundlichkeit und die Nutzungshäufigkeit bestimmter Verwaltungsleistungen erfasst werden.

BDA [7]

Dabei macht der BDA deutlich, dass in der Gesetzesbegründung auf den Stellenwert der Usability im Kontext der Evaluierung hingewiesen wird. Dennoch ist es aus Sicht des BDA erforderlich, die Verzahnung zwischen § 7 und § 12 auch innerhalb des Gesetzes selbst stärker herauszuarbeiten. Dabei betont der BDA, dass die Evaluierung durch eine unabhängige Stelle durchgeführt werden muss.

#5: Usability und Barrierefreiheit weiter stärken

Die Stellungnahme des BITKOM** e.V. [8] beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit § 7 des OZG-ÄndG. Der BITKOM macht dabei deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Digitalwirtschaft in dem Themenfeld Usability und Barrierefreiheit von besonders zentraler Bedeutung ist. Dabei fordert der BITKOM eine ganzheitliche Strategie in diesem Themenfeld.

„Auch [bei Barrierefreiheit und Usability] geht es vor allem darum, gemeinsame Standards zu definieren bzw. sich auf die Nutzung bestehender (europäischer und internationaler) Standards zu verständigen.“

BITKOM [8]

Der BITKOM benennt dabei zwei Defizite. Erstens gibt es eine begriffliche Unschärfe: Es sollte Usability (oder die deutsche Übersetzung „Gebrauchstauglichkeit“) anstatt des umgangssprachlichen Begriffs („Nutzerfreundlichkeit“) verwendet werden. Zweitens müssen die Anforderungen an die Usability konkretisiert werden. Dazu gibt es aus Sicht des BITKOM drei Optionen:

  • Heuristische Prüfung der Usability auf Basis der DIN EN ISO 9241-110 (insbesondere Anhang A)
  • Heuristische Prüfung der Usability auf Basis der ArbStättV (insbesondere Anhang 6.5)
  • Durchführung und Dokumentation eines menschzentrierten Gestaltungsprozesses (nach DIN EN ISO 9241-220)

Ergänzend skizziert die Stellungnahme, wie eine breitflächige Nutzung von neuen Technologien (z.B. ChatBots, Messengerdienste und Videochats) einen positiven Beitrag zu einem barrierefreien Verwaltungszugang leisten könnte.

#6: Die Verwaltung rechtssicher digitalisieren

Die Bundesnotarkammer [9] setzt sich nicht dediziert mit dem Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit auseinander. Stattdessen fokussiert sich der Kern der Stellungnahme auf die Etablierung eines einheitlichen Nutzer*innenkontos. Ein besonderes Augenmerk der Notarinnen und Notare liegt dabei auf der Integrität der Verwaltungsverfahren.

Gleichzeitig darf eine Modernisierung bestehender Abläufe auch im Bereich der Verwaltung nicht dazu führen, dass Effizienzgewinne durch Digitalisierung der Prozesse zulasten der Integrität des rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens gehen.

Bundesnotarkammer [9]

Eine besondere Rolle spielen dabei beispielsweise die Anforderungen an eine Ersetzung der Schriftform. Diese sind aktuell nicht einheitlich geregelt. Gleichzeitig wird zum Beispiel auch die Identifizierung in Unternehmenskonten mithilfe des ELSTER-Zertifikats kritisch gesehen.

#7: Von der Vorreiterin lernen

Die BA**** (Bundesagentur für Arbeit) macht in Ihrer Stellungnahme [10] deutlich, dass die BA im Rahmen des bisherigen OZG bereits 67 Online Services zur Verfügung gestellt hat. Daher empfiehlt die BA, die für die OZG-Umsetzung verantwortlichen Akteure auch bei der Umsetzung der Basisdienste im Nutzerkonto Bund zu beteiligen.

Eine gemeinsame Diskussion am Whiteboard
Die BA [10] ist diejenige Behörde mit der umfassendsten Erfahrung in der OZG-Umsetzung; dennoch kann auch Sie die konkreten Auswirkungen des OZG-ÄndG auf das Themenfeld Usability und Barrierefreiheit aktuell noch nicht bewerten, da die Formulierungen noch zu vage sind.

Ferner äußert sich die BA auch explizit zu dem Themenkomplex in § 7. In der Stellungnahme wird dabei betont, dass aufgrund der bisher vorliegenden Informationen der Aufwand durch die Regelung im Themenfeld Usability noch nicht abgeschätzt werden kann. Ferner lassen sich daraus auch keine konkreten Handlungserfordernisse ableiten. 

Was sind dort [(in § 7)] geeignete Maßnahmen? Wie kann dies gemessen werden? Was passiert, wenn keine Maßnahmen getroffen werden oder diese nicht ausreichend sind?

BA [10]

Aufgrund der Unvollständigkeit der Informationen kann die BA aktuell noch keine weiteren Aussagen treffen. Gleichzeitig wird der direkte Bezug zur BITV seitens der BA begrüßt; die BA schlägt vor, explizit die „jeweils aktuelle Fassung“ zu referenzieren.

#8: Mit guter Usability die Nutzung steigern

Der Databund (Bundesverband der mittelständischen IT-Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor e.V.) macht in seiner Stellungnahme [11] wiederum deutlich, dass das OZG-ÄndG – wie bereits das ursprüngliche OZG – sich nicht ausreichend mit den gegenwärtigen Gegebenheiten beschäftigt. Ferner stellt der Databund grundsätzlich in Frage, ob die Verwaltungsdigitalisierung – aufgrund der hohen Komplexität – mit einem politischen Lösungsansatz realisiert werden kann.

Ferner macht der Databund deutlich, dass der aktuelle Entwurf nicht hinreichend menschzentriert ist: Weder die Bedürfnisse der Bürger*innen noch die Bedürfnisse der Beschäftigten werden adäquat berücksichtigt. Aus Sicht des Databunds ist das OZG-ÄndG eine zu geradlinige Fortführung der bisherigen Aktivitäten rund um das Onlinezugangsgesetz.

Die Fokussierung auf eine Akzeptanz der angebotenen Online-Dienste bei den Nutzer/innen ist sehr zu begrüßen, da die Zielgruppe die Dinge nur umfangreich nutzen wird, wenn eine ausreichender Nutzen und Einfachheit in der Bedienung gegeben ist.

Databund [11]

Und auch in Bezug auf § 12 macht der Databund deutlich, dass eine Evaluierung von Verwaltungsleistungen nur dann in der Praxis zu einem Mehrwert führt, wenn sich diese Evaluierung an klar identifizierbaren und nutzerorientierten Indikatoren orientiert.

#9: Usability- und Sicherheitsanforderungen besser abwägen

Der Deutsche Anwaltverein [12] setzt sich zwar in seiner Stellungnahme nicht explizit mit dem § 7 auseinander, stellt aber in seiner Stellungnahme dennoch vielfältige Bezüge zu diesem Themenkomplex her. Beispielsweise setzt er sich beim Ersatz der Schriftform mit den Fragen der Usability auseinander. 

Wenn es sich bei der (analogen) Schriftform so verhält, dass eine Identifizierung und Authentifizierung im Regelfall nicht erfolgt (…), sollten auch bei digitalen Ersetzungsoptionen Anforderungen aufgestellt werden, bei denen die Benutzungsfreundlichkeit in angemessenem Verhältnis zu Anforderungen der Identifizierung und Authentifizierung steht.

Deutscher Anwaltverein [12]

Der Anwaltverein macht dabei deutlich, dass die vorgeschriebenen Identifizierungsoptionen deutlich über die Anforderungen an eine händische Unterschrift hinausgehen. In den weiteren Betrachtungen macht der Deutsche Anwaltverein deutlich, dass eine Identifizierung mit dem elektronischen Personalausweis Prozessen mit einem sehr hohen Sicherheitsniveau vorbehalten bleiben könnte.

Für Verfahren mit weniger hohen Anforderungen wäre eine Zwei-Faktor-Authentifizierung eine gebrauchstauglichere Lösung – auch diese Lösung wäre noch sicher als die gegenwärtige, analoge Lösung.

#10: Anforderungen an Usability konkretisieren

Die DIHK** (Deutsche Industrie- und Handelskammer) macht in Ihrer Stellungnahme [13] deutlich, dass die gegenwärtige Fassung des OZG-ÄndG einen notwendigen, aber nicht hinreichenden Baustein für eine umfassende Verwaltungsdigitalisierung und -modernisierung darstellt. Vom OZG-ÄndG erwartet die DIHK eine Fokussierung auf ein innovatives Ökosystem, in welchem Verwaltungsleistungen mit einer guten Usability entstehen können.

Mehrere Personen stehen am Flipchart und diskutieren angeregt
Auch das Feedback der DIHK [13] geht in eine ähnliche Regelung: Die aktuell geplanten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Usability und Barrierefreiheit sind noch zu vage – es wird befürchtet, dass sich daraus keine einheitlichen Maßnahmen ableiten lassen.

Dabei begrüßt die DIHK, dass der Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit in einem eigenen Paragraphen abgebildet wurde. Gleichzeitig bemängelt die DIHK die mangelnde Konkretisierung der gegenwärtigen Regelungen:

Allerdings droht die sehr allgemein gehaltene Formulierung [zu Usability und Barrierefreiheit] nicht zuverlässig zu den erforderlichen, möglichst einheitlichen Maßnahmen zu führen.

DIHK [13]

Als zielführend erachtet die DIHK in diesem Zusammenhang eine Erhöhung der Verbindlichkeit. Dabei werden in der Stellungnahme bereits erste Ideen skizziert, wie diese Verbindlichkeit konkret erreicht werden könnte: So könnte beispielsweise eine verpflichtende Einbindung der Nutzer*innen gefordert werden, es könnten Umfragen und Interviews durchgeführt werden oder auch Prototypen verpflichtend in Digitallaboren evaluiert werden). Die DIHK erwartet ferner, dass sich die Angebote der öffentlichen Verwaltung durch eine durchgehende Digitalisierung, eine hohe Sicherheit, eine gelungene Usability und eine bestmögliche Effizienz auszeichnen.

#11: Behördenkommunikation durch Menschzentrierung verbessern

Die Stellungnahme des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.) [14] setzt sich nicht dediziert mit dem Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit auseinander. Vielmehr werden konkrete, im OZG-ÄndG geplante Maßnahmen unter dem Blickwinkel dieses Themenfeldes betrachtet – das betrifft beispielsweise das Schriftformerfordernis:

Eine medienbruchfreie – gleichermaßen anwenderfreundliche und verbindliche – Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger mit der öffentlichen Verwaltung gehört zu den wichtigsten Digitalisierungsthemen in Deutschland

GDV [14]

Gleichzeitig stehen die hohen Anforderungen an die Identifizierung aus Sicht der GDV einer schnellen und flächendeckenden Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung entgegen, da dadurch vermeidbare Nutzungshürden entstehen. Daher fordert die Stellungnahme an diese Stelle eine stärkere Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Schutzniveaus.

#12: Expert*innen und Nutzer*innen besser einbinden

Die Arbeitsgruppe OZG des BFIT**-Ausschusses für barrierefreie Informationstechnik begrüßt in ihrer Stellungnahme [15] die Aufnahme des Themenkomplexes Barrierefreiheit in § 7. Dabei sollten die Begrifflichkeiten (insbesondere „IT-Komponenten“ und „digitale Verwaltungsleistungen“) in Absatz 1 (zu Usability) und in Absatz 2 (Barrierefreiheit) konsistent verwendet werden.

Heitere Diskussion an einem Besprechungstisch
Expert*innen und Nutzer*innen sollten aus Sicht des BFIT [15] auf allen Ebenen besser in die Ausgestaltung des Themenkomplexes Usability und Barrierefreiheit eingebunden werden. Dazu müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen im OZG-ÄndG nachgeschärft werden.

Ferner fordert der BFIT-Ausschuss ein explizites Referenzieren der in diesem Kontext maßgeblichen Normen: 

In der Begründung sollte aufgenommen werden, dass die Nutzerfreundlichkeit im Sinne der Normen zur Usability (wie beispielsweise der Normenreihe DIN EN ISO 9241 zur Ergonomie der Mensch-System-Interaktion beschrieben (…)) umzusetzen ist.

BFIT [15]

Die Stellungnahme enthält dabei eine Vielzahl Unternormen (z.B. 9241-11, 9241-110, 9241-112, 9241-125, 9241-143, 9241-210 und 9241-220) und macht außerdem deutlich:

Die Beteiligung von Usability Experten sowie Durchführung von Usability Tests durch Nutzergruppen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen sind (…) zwei wichtige Instrumente.

BFIT [15]

Darüber hinaus enthält die Stellungnahme mehrere Vorschläge: Die FITKO soll öffentliche Stellen im Themenfeld Barrierefreiheit und Usability beraten und unterstützen. In Bezug auf die Evaluierung sollte in § 12 ergänzt werden, dass in diesem Zusammenhang auch der Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit berücksichtigt wird – und die Ergebnisse sollten aus Gründen der Transparenz öffentlich zur Verfügung gestellt werden.

#13: Konkrete Nutzungsprozesse besser analysieren

Die BStBK (Bundessteuerberaterkammer) fordert in ihrer Stellungnahme [16] ebenfalls eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit. Die Stellungnahme macht dabei deutlich, dass durch die Digitalisierung des Steuerwesens Lösungen entstehen sollten, die sich durch eine gelungene Usability auszeichnen. Bei diesen Digitalisierungsstandards muss sich der öffentliche Sektor dabei von alten Strukturen verabschieden und die Prozesse in Hinblick auf Usability und Effizienz neu gestalten.

Auch bei der arbeitsteiligen Zusammenarbeit von Bund und Ländern betont die BStBK erneut, dass Standards stets unter Fokussierung auf Usability und Effizienz entwickelt werden müssen. Ferner sollte das OZG-Dashboard tiefere Einblicke in die konkreten Nutzungsprozesse erlauben:

„Wichtig [beim OZG-Dashboard] ist die schriftliche Aufzeichnung und das systematische Sammeln, Bewerten und Verdichten von Erfahrungen, Entwicklungen, Hinweisen, Fehlern und Risiken, insbesondere hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit.“

BStBK [16]

Abschließend fordert die Stellungnahme, die Verwendung von Papier in (steuerlichen) Prozessen zu beenden. Stattdessen soll eine digitale und medienbruchfreie Digitalisierung realisiert werden. In diesem Zusammenhang betont die Stellungnahme die Notwendigkeit zur „Digitalisierung im Backend“.

#14: Einheitliche Standards entwickeln und einhalten

Die Stellungnahme [17] des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.) weist auf dringenden Nachbesserungsbedarf am vorliegenden Entwurf des OZG-ÄndG hin. Die Stellungnahme fordert insbesondere, dass Barrierefreiheit bei allen Entwicklungen von Anfang an berücksichtigt wird, da eine spätere Integration häufige aufwändiger und kostenintensiver ist. Dazu müssen die Verantwortlichkeiten klar geregelt werden.

Dabei gilt es, beispielsweise im Kontext der Nachnutzung, Herausforderungen bzgl. unterschiedlicher Standards in den einzelnen Ländern zu vermeiden und für Rechtsklarheit zu sorgen. Dabei sieht der DBSV auch Bedarf für eine Konkretisierung des Anwendungsbereichs:

„Die Gebrauchstauglichkeit und die Barrierefreiheit müssen sowohl für alle IT-Komponenten wie Antragsassistenten, Nutzer- und Organisationskonten, Postfach und Datenschutzcockpit als auch für alle elektronischen Verwaltungsleistungen, einschließlich der elektronischen Dokumente und Formulare, gewährleistet sein.“

DBSV [17]

Ferner macht auch der DBSV darauf aufmerksam, dass einschlägige Standards im Themenfeld Usability und Barrierefreiheit, insbesondere die Normenreihen DIN EN ISO 9241, explizit erwähnt werden sollten. Ferner fordert der DBSV, dass dabei auch Usability-Tests unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen als Instrument explizit genannt wird.

Ferner mangelt es im Themenfeld Barrierefreiheit nicht an mangelnden gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern an deren Umsetzung. Beispielsweise die FITKO könnte einen substantiellen Beitrag leisten, dass dieses Umsetzungsdefizit zeitnah beseitigt wird; für das Controlling der Umsetzung von Barrierefreiheit und Usability sind seitens des Bundes entsprechende Mittel bereitzustellen.

#15: Weiterhin S.M.A.R.T.E. Ziele definieren

Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.) bezieht sich in ihrer Stellungnahme [18] nicht unmittelbar auf den Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit. Die DGUV fokussiert sich stattdessen auf allgemeinere Herausforderungen; so ist es für die DGUV beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum – aufgrund der Probleme bei der Einhaltung der Fristen seitens der Behörden – diese nun gänzlich entfallen:

„Die vollständige Entfristung der Pflichten für Behörden zur Umsetzung des OZG gem. § 1 Abs. 1 sehen wir kritisch.“

DGUV [18]

Die DGUV befürchtet, dass sich durch die Entfernung der Fristen der Umsetzungsdruck reduziert und die dringend erforderlichen Aktivitäten nicht mit Nachdruck angegangen werden. Gleichzeitig macht die DGUV deutlich, dass Standards, Übertragungswege und Nutzer*innenkonten nicht mehr geändert werden dürfen, nachdem deren Umsetzung von einzelnen Akteur*innen bereits abgeschlossen ist.

#16: Alle Menschen in die Prozesse einbinden

Der DVBS (Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf) macht in seiner Stellungnahme [19] deutlich, dass die gegenwärtige Fassung des OZG-ÄndG Menschen mit Behinderungen benachteiligt. Um Barrierefreiheit und Usability wie vorgesehen verwirklichen zu können, sind aus Sicht des DVBS Änderungen am Gesetz erforderlich.

Gemeinsame Disskusion mit vier Personen, eine Person ist am Telefon
Häufig sitzen die Personen, die von den Digitalisierungsentscheidungen der Verantwortlichen betroffen sind, nicht mit am Verhandlungstisch. Daher empfiehlt der DVBS [19]: Alle Nutzer*innengruppen müssen bei der Ausgestaltung von Anfang an besser berücksichtigt werden.

Die Standards in § 7 müssen dabei für alle Verwaltungsleistungen beachtet werden und sich nicht auf den informationstechnischen Zugang zum Portalverbund beschränken. Die ursprüngliche Formulierung aus dem Referent*innenentwurf wurde in dem Gesetzesentwurf inzwischen überarbeitet. Auch die in der Stellungnahme bemängelten, sprachlichen Inkonsistenzen zwischen IT-Komponenten (Abs. 1) und elektronischen Verwaltungsleistungen (Abs. 2) sind in dem Gesetzesentwurf überarbeitet worden.

Ferner schlägt der DVBS vor, die Anforderungen von allen Menschen im Zuge der Planung und Entwicklung von Verwaltungsleistungen zu berücksichtigen:

Bei der Planung und Entwicklung sind die Anforderungen aller Nutzergruppen, einschließlich der Anforderungen älterer Menschen und von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, von Beginn an zu berücksichtigen.

DVBS [19]

Außerdem verweist auch der DVBS an dieser Stelle auf die Normenreihe DIN EN ISO 9241 und nennt dabei ebenfalls konkrete Unternormen. Als einen weiteren Erfolgsfaktor sieht der DVBS die Einbindung von Usability Expert*innen und die Durchführung von Usability-Tests. Bei diesen Usability-Tests muss durch die Auswahl der Testteilnehmer*innen sicher gestellt werden, dass in den Tests das vollständige Spektrum an möglichen Beeinträchtigungen abgedeckt wird. Diese Informationen sollten in die Begründung des Gesetzesentwurfs aufgenommen werden.

Das Gesetz sollte zudem klarstellen, dass die BITV 2.0 in ihrer jeweils aktuellen Fassung maßgeblich ist. Damit diese Aktivitäten umsetzbar sind, schlägt der DVBS die Einrichtung einer Kompetenz- und Koordinierungsstelle vor. Der DVBS ist ebenfalls der Ansicht, dass eine derartige Stelle bei der FITKO angesiedelt werden könnte. Um der bislang unzureichende Berücksichtigung von Barrierefreiheit und Usability Abhilfe zu verschaffen, schlägt der DVBS ein besseres Controlling bei der Vergabe von Bundesmitteln vor. Dazu muss auch in § 12 im Zusammenhang der Evaluierung explizit ein Bezug zu den Themen Barrierefreiheit und Usability hergestellt werden.

#17: Mehrwert von UUX transparenter machen 

Die VITAKO (Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e.V.) begrüßt in Ihrer Stellungnahme [20] die im OZG-ÄndG vorgesehene Priorisierung, die Nachnutzung von Basiskomponenten und die Vereinheitlichung der Nutzer*innenkonten.

Zu einer stärkeren Fokussierung auf den Themenkomplex Barrierefreiheit und Usability nimmt die VITAKO dabei wie folgt Stellung:

Die hier [(bzgl. § 7)] angeregten Änderungen sind vor allem redaktioneller Natur und daher zu begrüßen.

VITAKO [20]

Zu der im OZG-ÄndG in § 12 vorgesehenen, regelmäßigen Evaluierung von digitalen Verwaltungsangeboten nimmt die VITAKO nicht Stellung.

#18: Strategische Bedeutung von UUX besser kommunizieren

Die KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) betrachtet in Ihrer Stellungnahme [21] die Gesetzesnovelle aus Managementsicht. Dabei setzt sich die Stellungnahme jedoch nicht näher mit der Rolle von Barrierefreiheit und Usability auseinander. Das Ziel der Novelle lautet dabei laut der KGSt:

„(…) die einfache und medienbruchfeie Abwicklung von digitalen Verwaltungsleistungen für Bürger:innen und Unternehmen zu realisieren (…)“

KGSt [21]

Auch das Controlling – einer der zentralen Aspekte bei einer Auseinandersetzung mit dem OZG-ÄndG – wird in der Stellungnahme nur am Rande gestreift. Die KGSt erwähnt in einem Nebensatz, dass Umsetzungen nach § 12 zu evaluieren sind. Abschließend formuliert die Stellungnahme noch das Ziel, „eine bürger- und kundenfreundliche aber auch für die Verwaltung vorteilhafte Ende-zu-Ende Digitalisierung zu erreichen“ – stellt aber auch hier keine weiteren Bezüge zur gegenwärtigen Ausgestaltung von § 7 her.

Fazit: Das OZG-ÄndG steht am Anfang des Weges

Es gibt eine gute Nachricht. Der Referent*innenentwurf hat die Weichen für eine bessere Berücksichtigung des Themenkomplexes Usability und Barrierefreiheit richtig gestellt.

Damit ist der Weg frei für eine Verwaltungsdigitalisierung, die sich stärker an den Bedürfnissen und Erfordernissen von uns Menschen ausrichtet.

Wichtig dabei: Die Verwaltungsdigitalisierung auf Basis des OZG-ÄndG berücksichtigt zukünftig die Bedürfnisse von allen Menschen: Unabhängig davon, ob wir in unserer Rolle als Bürgerin oder Bürger oder in unserer Rolle als Verwaltungsmitarbeiterin oder Verwaltungsmitarbeiter mit digitalen Verwaltungslösungen in Berührung kommen. Unabhängig davon, ob wir auf einen barrierefreien Zugang zwingend angewiesen sind, von einem solchen Zugang im Alltag profitieren – oder uns einfach “nur” an einer effektiven, effizienten und zufrieden stellenden Interaktion mit digitalen Lösungen gelegen ist.

Mehrere Menschen auf einer Bergwanderung
Die Verwaltungsdigitalisierung befindet sich im Deutschland am Anfang eines langen Weges. Doch die Weichen für bessere Usability und Barrierefreiheit sind durch den Referent*innenentwurf gestellt. Jetzt gilt es, das Themenfeld im Gesetzgebungsverfahren weiter zu konkretisieren.

Das OZG-ÄndG hat den Mut bewiesen, den Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit jetzt in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Mut wurde von den Spitzenverbänden begrüßt – und die meisten haben auch erkannt, dass eine konsequente (Re-)Fokussierung auf UUX weit mehr als nur eine redaktionelle Änderung ist. Diese Fokussierung ist eine konsequente strategische Neuausrichtung – und die Spitzenverbände haben diesen Paradigmenwechsel begrüßt.

Gleichzeitig wurde in den Stellungnahmen jedoch auch deutlich, dass es in dem Themenkomplex Usability und Barrierefreiheit nicht nur Lücken in den gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt – sondern auch erhebliche Defizite bei der Umsetzung. Daher sollten drei Dinge – auf Basis der vorliegenden Stellungnahmen – im weiteren Gesetzgebungsprozess noch angegangen werden:

  • Verbindlichere Definition der konkreten Anforderungen an “gute Usability” (§ 7 Abs. 1): Es muss ein Bezug zu den Standards, insbesondere der Normenreihe DIN EN ISO 9241 in die Gesetzesnovelle aufgenommen werden. Weitere Informationen und Beispiele zu konkreten Maßnahmen müssen in die Begründung des Gesetzesentwurfs aufgenommen werden.
  • Berücksichtigung von Usability und Barrierefreiheit im Rahmen der Evaluierung (§ 12): Die Themen Usability und Barrierefreiheit müssen im Rahmen der Evaluierung explizit genannt werden. Weitere Informationen zu den konkreten Prozessen der Evaluation und der dabei zum Einsatz kommenden Methoden müssen in die Begründung des Gesetzesentwurfs aufgenommen werden.
  • Bündelung der Kompetenzen zu Usability und Barrierefreiheit: Für den Themenkomplex aus § 7 muss in Bund und Ländern eine klare Zuständigkeit definiert werden. Das Thema kann beispielsweise bei der FITKO angesiedelt werden – in Verbindung mit einer substantiellen Ausweitung der Aufgaben, Kompetenzen und Ressourcen.

Denn ein Ziel ist nur dann ein Ziel, wenn es S.M.A.R.T. ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage aus dem Eckpunktepapier des BMI zu interpretieren:

Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit werden verbindlich.

Bundesministerium des Innern und für Heimat [22]

Im Moment sind die Themen Usability und Barrierefreiheit nur ein Wunsch. Dieser Wunsch wird in § 7 des OZG-ÄndG artikuliert. Nun sind BMI, Kabinett und Bundestag gefordert, damit bis Anfang 2024 “echte” (d.h. messbare) Ziele zu Usability und Barrierefreiheit ins OZG-ÄndG aufgenommen werden.

[1] https://www.onlinezugangsgesetz.de/SharedDocs/downloads/Webs/OZG/DE/ozg-2-0-referentenentwurf-ozgaendg.zip?__blob=publicationFile&v=5

[2] https://www.onlinezugangsgesetz.de/SharedDocs/downloads/Webs/OZG/DE/ozgaendg-gesetzentwurf.pdf;jsessionid=7289D552E220393E06F56C7ABB034DEC.2_cid332?__blob=publicationFile&v=4

[3] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/aenderung-onlinezugangsgesetz.html

[4] https://osb-alliance.de/wp-content/uploads/2023/02/2023-02-09_Stellungnahme_OZG.pdf

[5] https://bdi.eu/artikel/news/entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-onlinezugangsgesetzes-sowie-weiterer-vorschriften

[6] https://www.zdh.de/fileadmin/Oeffentlich/Organisation_und_Recht/Themen/Stellungnahmen/2023/20230302_06-09_Anlage_1_StN_OZG-AEndG_final.pdf

[7] https://arbeitgeber.de/wp-content/uploads/2023/02/bda-arbeitgeber-stellungnahme-entwurf_eines_gesetzes_zur_aenderung_des_onlinezugangsgesetzes-2023_02_23.pdf

[8] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2023-03/BitkomStellungnahmeOnlinezugangsgesetz.pdf

[9] https://www.bnotk.de/fileadmin/user_upload_bnotk/Stellungnahmen/2023/BNotK_STN_2023_OZG.pdf

[10] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/bundesagentur-fuer-arbeit.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Link aktuell defekt)

[11] https://databund.de/wp-content/uploads/sites/20/2023/02/DATABUND-Stellungnahme-OZGAendG-gesamt.pdf

[12] https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-19-2023-ozg-aenderungsgesetz-2?file=files/anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/2023/dav-sn-19-2023.pdf

[13] https://www.dihk.de/resource/blob/91814/deea24a70c22e08664aaadeca76e5e6f/dihk-stellungnahme-ozg-aenderung-data.pdf

[14] https://www.gdv.de/resource/blob/131532/3d1b6282564c2393dcf79a14c80e831b/onlinezugangsgesetz-data.pdf

[15] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/stellungnahme_bfit.pdf;jsessionid=341C6774C9541E4E7A9FAC9470166921.2_cid340?__blob=publicationFile&v=3

[16] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/stellungnahme_BStBK.pdf;jsessionid=341C6774C9541E4E7A9FAC9470166921.2_cid340?__blob=publicationFile&v=1

[17] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/stellungnahme_dbsv.pdf;jsessionid=341C6774C9541E4E7A9FAC9470166921.2_cid340?__blob=publicationFile&v=2

[18] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/stellungnahme_dguv.pdf;jsessionid=341C6774C9541E4E7A9FAC9470166921.2_cid340?__blob=publicationFile&v=2

[19] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/stellungnahmen/ozg/stellungnahme_dvbs.pdf;jsessionid=341C6774C9541E4E7A9FAC9470166921.2_cid340?__blob=publicationFile&v=3

[20] https://vitako.de/wp-content/uploads/2023/02/2023-02-09-VITAKO-Stellungnahme-OZG-AendG.pdf

[21] https://www.kgst.de/documents/20181/34177/Stellungnahme_OZG_Novelle_KGSt.pdf/cbdab209-72fb-292b-e07f-c2e07dec82e2

[22] https://www.onlinezugangsgesetz.de/SharedDocs/downloads/Webs/OZG/DE/ozgaendg-eckpunkte.pdf;jsessionid=7289D552E220393E06F56C7ABB034DEC.2_cid332?__blob=publicationFile&v=5

Disclaimer

* Vielleicht kennen Sie den “Schlauen Peter” noch unter einem anderen Namen. Wir haben uns an dieser Stelle jedoch bewusst für eine diskriminierungsfreie Sprache entschieden.

** Nestler UUX Consulting ist auch Mitglied im BITKOM. Im Rahmen dieser Mitgliedschaft waren wir auch in die Erstellung der Stellungnahme des BITKOM eingebunden. Prof. Dr. Simon Nestler ist zudem Mitglied des Digitalisierungsausschusses der IHK München und Oberbayern. In die Erstellung der Stellungnahme der DIHK war er nicht involviert. Unser Team ist zudem auch in den BFIT-Ausschuss eingebunden, hat jedoch nicht in der Arbeitsgruppe OZG an der Stellungnahme mitgewirkt.

*** Aus Gründen der Transparenz sei ferner angemerkt, dass wir fünf der vom BMI auf der Webseite erwähnten Stellungnahmen aktuell (Stand 05.06.2023) nicht online finden konnten:

  • GKV Spitzenverbande
  • Deutsches Institut für Normung (DIN)
  • dbb beamtenbund und tarifunion
  • Verband Sichere Digitale Identität e.V. (VSDI)
  • Kommissariat der deutschen Bischöfe

**** Bei dem Abruf der Stellungnahme [10] der BA (Bundesagentur für Arbeit) gab es bei uns Zugriffsprobleme. Wir haben für die Analyse daher eine gecachte Version verwendet – die Stellungnahme ist aber trotzdem weiterhin korrekt verlinkt.

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