Wie mein Kollege Patryk Watola bereits im vorherigen Blogbeitrag angekündigt hat, wird sich dieser Artikel unserer sechsteiligen Reihe zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz mit den Anwendungsbereichen des BFSG beschäftigen. Wer muss sich nun, nachdem das Gesetz veröffentlicht wurde, vorbereiten und die eigenen Produkte oder angebotenen Dienstleistungen anpassen? Welche Unternehmen sind von der Vorbereitung ausgenommen, da sich für sie mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nichts ändert? Und welche Nutzer*innen profitieren von dem Gesetz?
Der 28. Juni 2025 ist der Stichtag für das BFSG
Die Frist zur Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes beginnt am 28. Juni 2025, “das heißt ab diesem Zeitpunkt müssen die im Gesetz erwähnten Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein.” [1]. Ausgenommen sind lediglich Selbstbedienungsterminals, für die eine Übergangsfrist von 15 Jahren, also bis 2040, gilt. Für viele Hersteller*innen, Unternehmen und Dienstleister*innen gilt es deshalb jetzt, sich auf diesen Stichtag vorzubereiten, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt barrierefrei für die Verbraucher*innen anbieten zu können.
Eine Vielzahl von Produkten muss barrierefrei werden
Laut der Bundesfachstelle Barrierefreiheit gilt es konkret folgende Produkte barrierefrei zu gestalten: Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone, Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten, Fernsehgeräte mit Internetzugang (Smart-TVs), E-Book-Lesegeräte sowie Router.
Viele Dienstleistungen sind ebenfalls betroffen
Zu den Dienstleistungen, die ab dem oben genannten Stichtag barrierefrei angeboten werden müssen, gehören Telefondienste, E-Books, Messenger-Dienste, Apps und Dienste, die auf mobilen Geräten im überregionalen Personenverkehr angeboten werden, Bankdienstleistungen, elektronischer Geschäftsverkehr sowie Personenbeförderungsdienste.
Bei den Personenbeförderungsdiensten müssen Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste jedoch nur die interaktiven Selbstbedienungsterminals barrierefrei anbieten [1].
Nur kleinere Dienstleister sind ausgenommen
Laut der Bundesfachstelle Barrierefreiheit sind vom BFSG konkret “[alle] Hersteller[*innen], Händler[*innen] und Importeure der oben genannten Produkte sowie die Erbringer[*innen] der oben genannten Dienstleistungen” betroffen [1]. Mit den “oben genannten Produkten oder Dienstleistungen” sind die in den Absätzen zuvor genannten Produkte oder Dienstleistungen gemeint, welche somit die vom BFSG betroffenen Unternehmen definieren.
Explizit ausgenommen sind hingegen Kleinunternehmen, die Dienstleistungen anbieten und weniger als 10 Beschäftigte und höchstens 2 Millionen Euro Jahresumsatz besitzen. Kleinunternehmen, die jedoch Produkte herstellen oder verkaufen, fallen weiterhin unter das BFSG [1].
Erstmals wird so auch die Privatwirtschaft zur Umsetzung der Barrierefreiheit ihrer Produkte und Dienstleistungen verpflichtet. So kann die Barrierefreiheit insgesamt gestärkt werden [2].

Natürlich ist Barrierefreiheit nicht bei allen Produkten und Dienstleistungen sofort umsetzbar und bedarf teilweise einer längeren Planungs- und Vorbereitungsphase. Zudem führen die neuen Anforderungen zu teilweise erheblichen Veränderungen der Produkte und Dienstleistungen.
Dies hat zur Folge, dass z.B. Elektronikunternehmen bereits in der Entwicklungsphase ihrer Produkte die neuen Anforderungen berücksichtigen und entsprechende Vorkehrungen an Hard- und Software treffen müssen, um durch entsprechende Konstruktionen und Anpassungen den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dies bedeutet einen erhöhten Planungsaufwand, der bei der Projektplanung berücksichtigt werden muss [3].
Das BFSG führt zu mehreren, positiven Effekten
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen profitieren können. Wenn wir als UUX-Expert*innen beispielsweise eine Webseite auf Barrierefreiheit und Gebrauchstauglichkeit prüfen, berücksichtigen wir dabei eine Reihe von Prüfschritten nach der DIN EN 301 549 sowie der ISO 9241 110 [4].
Können diese Prüfkriterien weitestgehend erfüllt werden, ist die Webseite letztendlich für alle Menschen besser nutzbar. Denn alle Nutzer*innen können situativ in der Nutzung eines Produktes oder einer Webseite eingeschränkt sein. So sollten zum Beispiel Punkte der Barrierefreiheit und Gebrauchstauglichkeit, wie ein angemessener Kontrast, eine gute Bedienbarkeit mit der Tastatur oder eine für alle verständliche Sprache sowie intuitive Struktur vollständig erfüllt werden. So kann eine bestmögliche Zugänglichkeit der Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden [5].
Welche Menschen sind auf barrierefreie IKT angewiesen?
Wenn wir darüber nachdenken, wer ohne ausreichende Barrierefreiheit z.B. in einem Online-Shop keine Produkte bestellen kann, fallen uns wahrscheinlich als erstes blinde Menschen ein. Der Gedanke ist richtig – aber in der Praxis sind Menschen ohne oder mit eingeschränktem Sehvermögen nur eine von vielen verschiedenen Gruppen. Das macht Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit komplex – einerseits haben wir die Bedürfnisse des Einzelnen im Blick, andererseits gilt es, eine Vielzahl von mehrdimensionalen Anforderungen zu prüfen und zu erfüllen.
Doch welche Personengruppen sollten wir nun bei unseren Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit unbedingt im Auge behalten? Dazu hilft ein Blick in die entsprechende Norm zur Barrierefreiheit, die bereits erwähnte DIN EN 301 549. Diese macht Aussagen zur funktionalen Leistungsfähigkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie, die eingehalten werden müssen, damit Anwendungen von allen Menschen barrierefrei genutzt werden können [6].
Konkret bedeutet dies, dass die Norm auch verschiedene Nutzer*innengruppen definiert, die bei der barrierefreien Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt werden müssen. Diese Nutzerinnengruppen sind somit ebenfalls Teil des Anwendungsbereichs des BFSG, denn sie konkretisieren, welche Nutzerinnen letztendlich von dem neuen Gesetz profitieren. Um diesen Nutzer*innen die effektive und effiziente Nutzung einer Software zu ermöglichen, sollte diese barrierefrei und gebrauchstauglich gestaltet werden.
#1: Nutzung ohne Sehvermögen oder mit eingeschränktem Sehvermögen
Nutzer*innen ohne oder mit eingeschränktem Sehvermögen sind nicht in der Lage, ein Produkt, wie beispielsweise eine Software, vollständig mit ihren Augen wahrzunehmen. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass diese Software auch ohne Sehvermögen genutzt werden kann.

Dies bedeutet, dass die Anwendung zum Beispiel mit einer Assistenztechnologie, wie einem Screenreader, kompatibel sein muss. Diese kann den Benutzer*innen die Software Schritt-für-Schritt vorlesen und sie durch die Anwendung navigieren. Darüber hinaus kann diese Menschengruppe aufgrund ihrer Sehbehinderung die Software häufig nicht mit der Maus bedienen, daher muss die Software über eine einwandfreie Bedienbarkeit mithilfe einer Tastatur verfügen.
#2: Nutzung ohne Farbwahrnehmung
Für Nutzer*innen ohne Farbwahrnehmung ist es wichtig, dass die Wahrnehmung von Farben für die Bedienung oder das Verständnis der Inhalte nicht erforderlich ist. Aus diesem Grund sollten Farben zum Beispiel nicht dazu eingesetzt werden, einzelne Felder voneinander abzugrenzen oder wichtige Informationen mit unterschiedlichen Farben darzustellen.
Ein Beispiel hierfür sind informationstragenden Grafiken. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Kontraste in der Anwendung den Empfehlungen der Norm entsprechen, sodass Inhalte, wie zum Beispiel grafische Bedienelemente, auch ohne Farbwahrnehmung klar voneinander abgegrenzt und gut erkennbar sind.
#3: Nutzung ohne Hörvermögen oder mit eingeschränktem Hörvermögen
Benutzer*innen ohne Hörvermögen oder mit eingeschränktem Hörvermögen profitieren ebenfalls von bestimmten Barrierefreiheitsfunktionen. Beispielsweise sind sie darauf angewiesen, dass die Software die Möglichkeit bietet, Untertitel für Videos oder andere Audiodateien, die in der Anwendung verwendet werden, einzustellen.
Außerdem ist es notwendig, Audiohinweise stets mit visuellen Benachrichtigungen zu kombinieren. Auditive Hinweise können diese Nutzer*innen sonst nicht wahrnehmen. Zum Beispiel könnten Pop-up-Fenster oder visuelle Benachrichtigungen verwendet werden, um auf Ereignisse hinzuweisen, anstatt einen Alarm oder einen Benachrichtigungston zu verwenden. Gleichzeitig muss an dieser Stelle darauf geachtet werden, dass durch eine ausschließlich visuelle Warnung nicht wiederum andere Benutzer*innen ausgeschlossen werden.
Multimodalität ist hier also der Schlüssel zum Erfolg: Es gilt, ein gesundes Mittelmaß anzubieten, welches die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer*innen miteinbezieht. Für die Menschen ohne oder mit eingeschränktem Hörvermögen ist es zudem hilfreich, die Integration von Gebärdensprache zu unterstützen. Entweder durch die Bereitstellung von Videoinhalten mit Gebärdensprache oder durch die Integration von Gebärdensprachdolmetscher*innen über Video- oder Live-Chat-Funktionen.
#4: Nutzung mit keinem oder mit eingeschränktem Sprachvermögen
Eine weitere Nutzer*innengruppe, die von dem neuen BFSG profitiert, sind Anwender*innen mit keinem oder mit eingeschränktem Sprachvermögen. Aufgrund des fehlenden oder eingeschränkten Sprachvermögens sind sie auf alternative Eingabemethoden angewiesen, die nicht auf gesprochener Sprache basieren.
Dazu gehört beispielsweise die Bedienung mit der Maus oder der Tastatur. Auch diese Benutzer*innengruppe sollte in der Lage sein, die Software effektiv zu steuern und mit ihr zu interagieren, unabhängig von ihrem Sprachvermögen. Dazu gehört, dass es als Alternative zu angebotenen sprachbasierten oder videobasierten Diensten die Möglichkeit gibt, ohne Sprache auf die Informationen zuzugreifen und die Aufgaben auszuführen.
Sprach- oder videobasierte Dienste können beispielsweise Lösungen für sprach- oder videobasierte Echtzeitkommunikation sein (z. B. Sprachnachrichten in einem Chat oder Videotelefonie).
#5: Nutzung mit eingeschränkter Handhabung oder schwindender Kraft
Personen mit eingeschränkter Handhabung oder schwindender Kraft sind ebenfalls darauf angewiesen, dass eine Software bestimmte Anforderungen an eine barrierefreie und zugängliche Benutzer*innenerfahrung erfüllt, da sie wahrscheinlich nicht alle erforderlichen Zeigergesten ausführen können.
Dies umfasst beispielsweise die Unterstützung alternativer Eingabemethoden, das heißt, die Software sollte verschiedene Eingabemethoden unterstützen, um diesen Nutzer*innen die Interaktion zu erleichtern. In erster Linie beinhaltet das die Bedienung der Software mittels Sprachsteuerung, für einige Nutzer*innen kann aber auch eine gute Tastaturbedienbarkeit oder sogar eine Steuerung mittels von Mausersatzgeräten wie Trackballs oder Eye-Tracking-Systemen notwendig sein.
Grundsätzlich kann eine bereits in die Software integrierte Sprachausgabe bzw. Vorlesefunktion den Nutzer*innen mit eingeschränkter Handhabung dabei helfen, die geschriebenen Inhalte der Anwendung zu verstehen, ohne sie selbst lesen zu müssen. Auch Funktionen zur Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben, Aktionen oder Tastatureingaben, können den Nutzer*innen helfen, Aufgaben zu vereinfachen und effizienter zu erledigen. So können sie ihre Kraft schonen, da weniger Gesten erforderlich sind.
#6: Nutzung mit eingeschränkter Reichweite
Die neuen Regelungen zur Barrierefreiheit kommen auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität bzw. Reichweite zugute. Diese Personen sind darauf angewiesen, dass sich alle für die Bedienung notwendigen Elemente in ihrer Reichweite befinden.
Dies ist insbesondere bei frei stehenden oder fest installierten Produkten zu beachten [6]. Rollstuhlfahrer*innen oder Benutzer*innen verschiedener Körpergrößen können dabei besonders in ihrer Reichweite eingeschränkt sein, weshalb die Erfordernisse dieser Nutzer*innen immer berücksichtigt werden sollten. Auch hier gilt in erster Linie, dass für diese Anwender*innen eine umfassende Tastaturbedienbarkeit entscheidend ist, da dies die Bedienung einer Anwendung bei eingeschränkter Reichweite erheblich erleichtert.

Hilfreich kann es für diese Nutzer*innen auch sein, wenn Text vergrößert werden kann, sodass dieser auch aus einiger Entfernung erkennbar ist. Bei der Vergrößerung ist es aber wichtig, dass Inhalt oder Funktionalität trotzdem nicht verloren gehen. Gleichzeitig sollte die Ansicht und Bedienung der Anwendung nicht auf eine einzige Ausrichtung (Hoch- oder Querformat) beschränkt sein, es sei denn, eine bestimmte Ausrichtung ist unerlässlich. Somit können Inhalte ebenfalls größer dargestellt und so die Bedürfnisse von Nutzer*innen mit eingeschränkter Reichweite unterstützt werden.
#7: Verringerung von Anfallsauslösern bei Fotosensibilität
Für fotosensitive Benutzer*innen ist es unverzichtbar, dass die Anwendung verschiedene visuelle Betriebsmodi oder Einstellungen bereitstellt. Ein Modus sollte vor allem “das Potenzial der Auslösung von Anfällen durch Lichtreize (Fotosensibilität)” [6] verringern und damit die visuelle Belastung reduzieren.
Dies kann beispielsweise durch die Begrenzung des Blitzbereiches oder der Anzahl von Blitzen je Sekunde erreicht werden. Weitere Einstellungsmöglichkeiten beinhalten das Deaktivieren von Animationen oder das Reduzieren der Anzeige von visuellen Effekten. Im besten Fall sollte die Anwendung natürlich auf stark flackernde oder blinkende visuelle Effekte verzichten, da diese bei Nutzer*innen mit Fotosensibilität Anfälle oder eine Überreizung auslösen können. Auch Animationen oder visuelle Effekte sollten sich in einem tolerierbaren Bereich von Helligkeit und Frequenz bewegen. Können bewegte oder blinkende Inhalte in der Software nicht vermieden werden, sollten diese spätestens nach 5 Sekunden selbstständig stoppen oder beendet oder ausgeblendet werden können.
Die Software sollte außerdem in Bezug auf die Bildschirmbeleuchtung anpassbar sein, das heißt, dass die Helligkeit reduziert oder spezielle Farbfilter eingestellt werden können, um die visuelle Belastung für die Nutzer*innen zu minimieren. Dies ist vor allem für statische Geräte, wie zum Beispiel Ticketautomaten, wichtig.
Zudem können anpassbare Farb- und Kontrasteinstellungen dabei helfen, die Software individuell an die Bedürfnisse der Benutzer*innen einstellen zu können. So können Menschen mit Fotosensibilität auf bestimmte empfindliche Farbkombinationen oder zu starke Kontraste reagieren.
Auch ist es sinnvoll, den Nutzer*innen die Möglichkeit zu geben, sich auf visuelle Reize vorzubereiten, indem zum Beispiel Pop-up-Fenster oder Benachrichtigungen erfolgen, bevor intensive visuelle Elemente angezeigt werden.
#8: Nutzung mit eingeschränkten kognitiven, sprachlichen oder Lernfähigkeiten
Damit auch Personen mit eingeschränkten kognitiven, sprachlichen oder Lernfähigkeiten Anwendungen nutzen können, sollte bei der Softwareentwicklung darauf geachtet werden, dass diese “Funktionen und/oder Darstellungen [bereitstellt], die das Verstehen, Bedienen und Nutzen vereinfachen und erleichtern” [5].
Dies kann erreicht werden, indem Anforderungen der Barrierefreiheit und Gebrauchstauglichkeit beachtet werden. Zum Beispiel sollten keine oder nur die für die spezielle Fachanwendung erforderlichen und den Nutzer*innen bekannten Fachwörter verwendet werden. Damit einher geht, dass Informationen mit einem den Benutzer*innen vertrauten Vokabular dargestellt und leichte Sprache für alle oder schwer verständliche Texte angeboten wird.
Grundsätzlich sollten auch kulturelle und sprachliche Konventionen für Darstellung, Eingabe und Steuerung verwendet werden, die den Benutzer*innen vertraut sind. Zuletzt ist ist auch eine klare und aussagekräftige Darstellung von Überschriften und Beschriftungen hilfreich, um die Inhalte zu gliedern und verständlich darzustellen.
Flexible Lösungen sind jetzt gefragt
Je mehr Einfluss Sie auf die visuelle Darstellung und die semantische Struktur Ihrer Softwareanwendung haben, desto besser können Sie diesen heterogenen Anforderungen der verschiedenen Gruppen gerecht werden. Bei neuen Projekten sollte bereits bei der Auswahl von Frameworks und Bibliotheken darauf geachtet werden, dass damit die aktuellen Anforderungen erfüllt werden können – und auch für zukünftige Anforderungen genügend Flexibilität vorhanden ist.
Wurden diese Weichen für eine bereits im Einsatz befindliche Lösung bereits vor längerer Zeit gestellt, ist nun zu prüfen, ob die Erfüllung aller Anforderungen mit den aktuellen Werkzeugen möglich ist – oder ob die Technologien in den nächsten zwei Jahren ersetzt werden müssen, um bis Mitte 2025 allen Nutzergruppen eine barrierefreie Lösung anbieten zu können.
Vor dem Hintergrund dieser kurzen Analyse unserer Zielgruppe gilt: Da die Bedürfnisse und Fähigkeiten dieser Personengruppe sehr unterschiedlich sein können, ist es wichtig, dass die Software flexibel und anpassungsfähig ist. Die Benutzer*innen müssen in der Lage sein, die Benutzeroberfläche, die Eingabemethoden und die Kommunikationswerkzeuge entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu konfigurieren.
Im besten Fall sollte die Software eine vollständig barrierefreie Benutzeroberfläche bieten, die für alle Benutzer*innen klar, übersichtlich und einfach zu bedienen ist. Eine gut gestaltete Oberfläche mit einem flexiblen Layout, anpassbaren Abständen zwischen den einzelnen Bedienelementen und ausreichendem Kontrast kann die Nutzung für Anwender*innen mit Behinderungen oder Einschränkungen bereits erheblich erleichtern.
Aber auch Dinge wie eine barrierefrei zugängliche Dokumentation und ein speziell geschulter Kundensupport tragen dazu bei, den Nutzer*innen die Verwendung der Software zu erleichtern. Bei der Dokumentation sind zwei Dinge wichtig: Zum einen müssen Informationen über barrierefreie Funktionen verständlich aufbereitet werden, zum anderen müssen diese Informationen in barrierefreier Form zur Verfügung gestellt werden.
Fazit: Das BFSG richtet sich an alle Menschen
Im Themenkomplex Usability und UX (UUX) denken wir gerne in Schubladen. Einerseits beschäftigen wir uns mit den individuellen Bedürfnisse der Individuen – und andererseits erfolgt eine Synthese (beispielsweise in Form von Personas und Use Cases), um diese Informationen handhabbar zu gestalten. Menschen mit Behinderungen sind eine weitere Schublade, die allzu leicht in unseren Köpfen aufgehen kann, wenn wir uns mit der Verzahnung von Softwareergonomie und Barrierefreiheit beschäftigen.
Wir müssen diese Schublade nicht aus unserem Kopf verbannen. Aber wir müssen erkennen, dass auch diese Schublade viele kleine Fächer hat. Es gibt nicht den behinderten Menschen, sondern es gibt – wie ein Blick in die DIN EN 301 549 gezeigt hat – eine Vielzahl unterschiedlicher Behinderungen, die im Rahmen der Entwicklung barrierefreier IKT von Bedeutung sind. Betrachten wir also im Zuge einer erfolgreichen Umsetzung des BFSG immer diese Schublade mit all ihren unterschiedlichen Fächern.
Der positive Effekt unserer Maßnahmen ist aber noch größer. Letztlich profitieren wir alle von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen: Menschen mit Behinderungen, Menschen mit temporären Einschränkungen, Technik-Laien, kranke Menschen, aber auch ältere Menschen, denn für sie alle kann eine gute Barrierefreiheit unter anderem die Bedienung einer Software erleichtern [2].
Aus diesem Grund ist es für jedes Unternehmen, unabhängig davon, ob es konkret vom neuen BFSG betroffen ist oder nicht, sinnvoll, seine Produkte oder Dienstleistungen bereits im Vorfeld barrierefrei zu gestalten bzw. anzubieten. So kann erreicht werden, dass niemand von der Nutzung oder Inanspruchnahme ausgeschlossen wird und gleichzeitig möglichst viele Menschen das jeweilige Produkt oder die Dienstleistung nutzen können.
Weiterführende Links
[4] Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 220: Prozesse zur Ermöglichung, Durchführung und Bewertung menschzentrierter Gestaltung für interaktive Systeme in Hersteller- und Betreiberorganisationen (ISO 9241-220:2019); Deutsche Fassung EN ISO 9241-220:2019
[5] https://kulturbanause.de/blog/ueberblick-ueber-barrierefreiheit-fuer-webseiten/
[6] Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen; Englische Fassung EN 301549 V3.2.1:2021; deutscher Text (E DIN EN 301549:2021-08 Abschnitt 14)
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